• Schutz, Schönheit und Nachhaltigkeit: Wie Barrierebeschichtungen die Verpackungswelt revolutionieren

    „Coffee-to-go“ ohne schlechtes Gewissen - Lacke, Farben und Druckfarben machen unsere Welt seit Jahrtausenden schöner. Mehr noch: Sie schützen, was uns lieb und teuer ist und machen unsere Umgebung bunter. Doch moderne Beschichtungen können noch viel mehr: Sie schonen Ressourcen, beschleunigen Prozesse, helfen der Umwelt oder retten sogar Leben. In einer neuen Serie wollen wir diese oft wenig beachteten, aber unverzichtbaren Lacke, Farben und Druckfarben vorstellen.

    Barrierelacke: auf dem Weg in eine nachhaltige Verpackungswirtschaft

    Nicht erst mit der Corona-Pandemie haben sich die Konsumge wohnheiten der Verbraucher geändert: Online-Shopping, Essen zum Mitnehmen, der schnelle Kaffee „to go“ gehören zum tägli chen Leben. Mit Zunahme dieses Trends wachsen jedoch auch die Berge von Verpackungsmüll. Laut Umweltbundesamt stieg der Verbrauch von Verpackungen seit 2010 jährlich um etwa 23 Prozent an. Das macht aktuell rund 20 Millionen Tonnen Verpackungsabfall insgesamt, pro Kopf entspricht das einer Menge von 240 Kilogramm. Allein 2,8 Milliarden Einwegbecher landen jährlich in Deutschland auf dem Müll, leider oft auch im öffentlichen Raum. Insbesondere Verpackungen bzw. Behält nisse aus Papier und Pappe machen einen Großteil dieser Abfallmengen aus. Sie enthalten häufig sogenannte Barrierebe schichtungen, die etwa Lebensmittel schützen, frisch halten und konsumierbar machen. Der Haken: In vielen Fällen sind solche Verpackungen (noch) nicht recyclebar. Die Verpackungsflut einzudämmen ist das Gebot der Stunde – nicht zuletzt, um EU-Vorgaben zu erfüllen. Diese sehen vor, dass alle Verpackungen auf dem EU-Markt ab dem 1. Januar 2030 recycelbar sein müssen. Zwar sind Mehrweglösungen ein sinnvoller Weg, um Abfall zu vermeiden. Da dies jedoch nicht in allen Bereichen möglich ist, gilt es Lebensmittelverpackungen recyclingfähig zu gestalten. Hier arbeiten die Hersteller von Druck- und Verpackungsfarben an innovativen Lösungen für Barrierebeschichtungen. Sie sollen maßgeblich dazu beitragen, Lebensmittelverpackungen weiterhin mit den notwendigen Schutzfunktionen auszustatten und ihnen gleichzeitig den Weg in eine effektive Kreislaufwirtschaft zu ebnen.

    Umdenken in der Verpackungswirtschaft

    Barrierebeschichtungen sind bei Verpackungen für Lebens mittel unverzichtbar. Physikalisch betrachtet verhindern sie, dass etwa Sauerstoff, Wasser oder Wasserdampf mit dem zu schützenden Inhalt in Verbindung kommen. Nichts soll nach innen oder außen dringen. Verpackungen aus Glas, Metall oder Spezialkunststoffen bieten in der Regel einen hundertprozentigen Barriereschutz. Anders verhält es sich bei faserbasierten Verpackungen, zum Beispiel aus Papier oder Pappe. Barriere beschichtungen blockieren einen Austausch von Substanzen nicht vollkommen, aber sie verzögern ihn. Sie sorgen dafür, dass viele Lebensmittel länger frisch bleiben oder ein Kaffeebe cher nicht sofort durchweicht. Um eine optimale Barrierewir kung zu erzielen, werden daher Papiere etwa durch nachträgli ches Kaschieren mit speziellen Folien ausgestattet oder in f lüssiger Form beschichtet. Dabei werden häufig Kunststoffma terialien wie Polyethylen, Polyester und Polypropylen für Barri erefolien in der Lebensmittelverpackungsindustrie verwendet. Aktuell bestehen viele Verpackungen noch immer aus einer Kombination mehrerer verschiedener Materialien. Das können verschiedene Kunststoffe sein oder auch Materialien, die etwa miteinander laminiert sind. Man spricht dann von sogenannten Multi- oder Verbundmaterialien. Allein diese Multilayer-Lebensmittelverpackungen verursachen in Europa rund zwei Millionen Tonnen Abfall jährlich. Nehmen wir beispielsweise eine Kaffeeverpackung, die eine Sauerstoff- und Aromabarriere braucht: Sie besteht in den meisten Fällen aus einem Verbund von Papier, mehreren Kunststoffen und mitunter Aluminium. Daneben gibt es Verpackungen, die nur einen einzigen Kunst stoff enthalten. „Verpackungen aus mehreren Kunststoffen haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind nicht mehr recyclebar“, sagt Lothar Schaeffeler, Global Head of Technology BU Circular Economy Coatings bei Siegwerk Druckfarben. „Im Sinne einer kreislauffähigen Verpackungswirtschaft ist daher ein Umdenken gefragt. Mehr denn je kommt es darauf an, den Blick auf wiederverwertbare Monomaterialen zu richten.“

    Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit im Fokus

    Der Wechsel hin zu kreislauffähigen Verpackungen stellt Hersteller und Markeninhaber vor große Herausforderungen. Verordnungen und Richtlinien der EU erhöhen zusätzlich den Druck. Neue Ansätze sind gefragt, um die regulatorischen Anforderungen künftig zu erfüllen. „Monofolien zum Beispiel aus Polyethylen sind sehr gut recyclebar, besitzen aber keine optimale Barriereeigenschaft etwa gegen Sauerstoff“, so Schaeffeler. „Genau hier kommen innovative Lösungen der Lackindustrie ins Spiel. Denn funktionale Beschichtungen können die Barrierewirkung ergänzen, die dem recyclebaren Monomaterial fehlt. Sie ermöglichen damit die gleichen Verpa ckungs- und Prozessleistungen wie Multimateriallösungen.“ Die Unternehmen der Lack- und Druckfarbenbranche arbeiten intensiv an neuen Entwicklungen. Erfolge sind bereits sichtbar, einige innovative Ansätze konnten sich schon im Markt etablieren. Ein Beispiel sind neukonzipierte Mono Beutel aus Polyethylen für Tiertrockenfutter. Die Verpackung besteht nur aus einem vollständig recyclebaren Kunststoff. Eine in dünnen Schichten aufgetragene „Hochbarriereschicht“ schützt gegen Sauerstoff von außen, damit das Futter frisch bleibt, sowie vor den im Produkt enthaltenen Ölen und Fetten. Bisher bestanden diese Verpackungen meist aus komplexen Multimaterialien mit einer metallisierten Schicht, die sich nicht recyceln ließen. Beschichtungen können Folie ersetzen Mittlerweile existieren auch Lebensmittelverpackungen, bei denen innovative Barrierebeschichtungen die Kunststofffolie komplett ersetzen. So bieten etwa wasserbasierte Beschich tungen speziell für Papier und Pappe schon heute einen wirkungsvollen Schutz gegen Öle, Fett und Wasser. Sie werden direkt auf das Verpackungsmaterial appliziert und zum Teil aus natürlichen Harzen und erneuerbaren Rohstoffen hergestellt. Zum Einsatz kommen sie unter anderem bei Fast-Food-Verpackungen wie etwa Einweg-Papier- Salatschalen, Burger-Boxen oder Papptellern und -bechern. Davon profitiert die Umwelt: Diese kreislauffähigen faser- basierten Verpackungen ersetzen vielfach die so genannten „Single-use-plastic“-Artikel, die nur einmal gebraucht und anschließend weggeworfen werden. Funktionale Barrierebeschichtungen erfüllen auch höchste Ansprüche an die Druckqualität und eignen sich sowohl für Tief- wie auch für Flexodruck. „Verpackungen sind Massen ware. Die Beschichtungen werden bei Druckern im Tief- oder Flexodruck aufgetragen oder auch mit Lackiermaschinen in einem separaten Prozess, zum Teil auch während des Kaschier prozesses“, erläutert Schaeffeler. „Wir können die Rezepturen an die jeweilige Applikation anpassen und somit hochwertige Druckergebnisse gewährleisten.“ „Barrierebeschichtungen sind hochspezialisierte Systeme,“ ergänzt Markus Locher, Global Manager Barrier and Sustainable Packaging Solutions Paper & Board bei ACTEGA. „Oft hängt die Barrierewirkung von vielen verschiedenen Faktoren ab, sei es das Füllgut, das Druck- oder Lackierverfahren oder das Subs trat. Um hier unseren Kunden die passgenaue Lackempfehlung geben zu können, brauchen wir eine Vielzahl von Informati onen. Deshalb ist eine enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern unerlässlich. Nur so können wir maßge schneiderte Barrierelösungen mit optimaler Wirkung für die verschiedensten Anforderungen entwickeln und anbieten.“

    Umweltfreundliche Lösungen mit biobasierten Barrieren

    Auch biobasierte Barrierebeschichtungen aus nachwachsenden Rohstoffen rücken zunehmend in den Blick der Forschung – sie können in Zukunft mineralöl basierte Anwendungen ergänzen beziehungsweise ersetzen. Einen vielversprechenden Ansatz liefern etwa Folien auf Polymilchsäurebasis (PLA), die mit einem anorganisch- bioorganischen Hybridpolymer beschichtet sind – eine Entwicklung, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. gefördert wurde. Neben einer verbesserten Barriereleistung gegenüber Wasserdampf und Sauerstoff überzeugt die Neuentwicklung auch mit einer guten Recyclingfähigkeit. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Verfahrens technik und Verpackung (IVV) in Freising arbeiten aktuell an einem neuartigen multifunktionalen Beschichtungskonzept für faserbasierte Lebensmittelverpackungen. Sie setzen auf verschiedene Suberinfettsäuren, die aus dem Kork von Eichen gewonnen werden. Die Erwartungen der Forscher an das Beschichtungssystem sind hoch: Erstmals soll es eine Wasser dampfbarriere mit hoher Flexibilität und Siegelfähigkeit verbinden. Siegelfähigkeit heißt in diesem Zusammenhang: Die Verschlusskanten der Verpackung sind luftundurchlässig versiegelt und verhindern so ein vorzeitiges Verderben oder Anlaufen der verpackten Lebensmittel. Das Produkt vereint alle Eigenschaften eines idealen Packmittels für empfindliche Lebensmittel.

    (Noch) Zukunftsmusik: Intelligente Beschichtungen

    Insgesamt ist der Markt für Verpackungsbeschichtungen in Bewegung. Nur am Rande seien in diesem Zusammenhang Forschungsprojekte zu sogenannten intelligenten Verpackungen erwähnt. Dort arbeitet man mit aufgedruckten Indikatoren und Sensoren daran, den Zustand des verpackten Lebensmittels für Verbraucher sichtbar zu machen. So lässt sich beispielsweise anhand von Verfärbungen der Indikatoren ablesen, ob ein Lebensmittel die Kühlkette verlassen hat oder trotz abgelaufenem Verfallsdatum noch genießbar ist. „An solchen Ansätzen wird schon länger geforscht und ther mochrome Farben sind schon lange in Etiketten und Verpa ckungen kommerzialisiert,“ so Schaeffeler, „in meinen Augen geht es bei solchen Lösungen jedoch weniger um Sustainable Packaging“.

    Kräfte bündeln für effiziente und nachhaltige Lösungen

    Ab 2030 sollen in der EU alle Verpackungen recyclebar sein – für alle beteiligten Marktteilnehmer eine große Herausforderung. Ab dann werden bestimmte Einwegverpackungen aus Kunststoff verboten, etwa Verpackungen für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse, Verpackungen für Lebensmittel und Getränke, die in Cafés und Restaurants zum Verzehr angeboten bzw. ausgeschenkt werden, Einzelportionen (z. B. Gewürze, Soßen, Sahne, Zucker), kleine Einwegkunststoffverpackungen für Toilettenartikel in Hotels und sehr leichte Kunststofftragetaschen. „Den Weg in eine nachhaltige, kreislauffähige Verpackungswirt schaft können wir nur gehen, wenn alle an einem Strang ziehen“, bilanziert Schaeffeler. „Das heißt, Markenartikler, Verpackungs hersteller, Rohstofflieferanten, Verwerter und auch die Lack- und Druckfarbenindustrie müssen Hand in Hand arbeiten, um marktfähige und überzeugende Lösungen zu finden und die Infrastruktur für die Wiederverwertung zu optimieren. Dann kann man zu Lösungen kommen, die ein Unternehmen allein nicht finden kann.“ Es geht also in Zukunft darum, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, die auch im Markt durchgesetzt werden kann. Die Entwicklung von recyclingfähigen Beschichtungen ist jedoch nur ein Aspekt im Kontext einer funktionierenden Kreislaufwirt schaft, auch die Infrastruktur für ein effizientes Recycling ist derzeit noch nicht verfügbar. „Da gibt es noch viel zu tun“, weiß Schaeffeler. „Unter anderem müssen auch die Sortiermecha nismen in den Anlagen weiter optimiert werden. Es stellt sich auch die Frage, ob und wie die Druckfarbe behandelt wird, bevor der Wertstoff recycelt wird, und welche Anlagen dafür entwickelt und installiert werden müssen. Also im Moment jonglieren wir mit vielen Bällen.“ Eine wesentliche Rolle spielt auch der Kostenfaktor: Denn recyclebare Verpackungen sind immer noch teurer als herkömmliche Packmittel. Immerhin findet das Thema bei vielen Konsumenten Anklang: Laut einer Studie zu Sustainable Product Packaging sind fast 60 Prozent der Verbraucher in Deutschland bereit, für nachhaltige Verpackungen mehr auszugeben.

    Autor: Matthias Beiderbeck

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