• Nanotechnologie in der Autoserienlackierung

    In der Automobiltechnik steht der Anwendung der Nanotechnologie noch eine große Zukunft bevor. Kratzbeständigere Autolacke, die auf der Nano-Technologie basieren, gibt es bereits. Jetzt arbeiten die Forscher und Entwickler daran, wie sich leicht zu reinigenden Auto-Oberflächen herstellen lassen. Bei Felgen etwa sind marktreife Beschichtungen in greifbarer Nähe; gleiches gilt für wasserabweisende Front- und Heckscheiben. Bei der Fahrzeuglackierung selbst dürfte das äußerst komplexe Anforderungsprofil zusammen mit dem Gebot der Reparaturfähigkeit der Oberfläche dafür sorgen, dass neue Technologien eher schrittweise eingeführt werden.

    Autolackierungen müssen gleich mehrere Funktionen erfüllen, um dauerhaft Farbe und Glanz zu behalten. Die vielfältigen Anforderungen können nicht von einer einzigen Schicht, sondern nur von unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Schichten erfüllt werden. Vereinfacht ausgedrückt, sorgt bei dieser Aufgabenverteilung die Grundierung für den Korrosionsschutz, der so genannte Füller gleicht winzige Unebenheiten aus, der Basislack sorgt für die Farbe. Und schließlich bringt der Klarlack als oberste Schicht Glanz und Schutz gegen die vielfältigen äußeren Einflüsse.

    Sonnenschutz inklusive

    Speziell beim Klarlack sind dank neuer Erkenntnisse in den Materialwissenschaften und der Chemie bereits entscheidende Verbesserungen erzielt worden. Ein einfaches Beispiel ist der UV-Schutz. Um den Klarlack selbst, aber vor allem die Farbpigmente im darunter liegenden Basislack vor der ultravioletten Strahlung der Sonne zu schützen, werden in den Klarlack Additive eingebaut, die nichts anderes als Lichtschutzmittel sind: UV-Absorber verhindern, dass die energiereiche Sonnenstrahlung die Polymermatrix des Klarlacks, die darunter liegenden Schichten oder sogar die Pigmente zerstört.

    Mehrbelastung durch höhere Geschwindigkeit

    Dass Lacke verkratzen, ist nach wie vor ärgerlich. Natürlich taten sie dies schon immer, doch das Phänomen wird in der jüngsten Zeit, vor allem auf dunkel lackierten Autos, stärker wahrgenommen. Eine der Ursachen dafür ist beispielsweise, dass Fahrzeuge heute im Schnitt mit höheren Geschwindigkeiten unterwegs sind. Kleine, im Fahrtwind befindliche Staub- oder Sandpartikel treffen dann mit höherer Energie auf die Lackflächen. Auch nicht sorgfältig gewartete Waschanlagen mit können mit ihren rotierenden Bürsten minimale, aber in ungünstigen Fällen sichtbare Spuren im Lack hinterlassen.

    Entwicklungsziel Kratzfestigkeit

    Die Erhöhung der Kratzfestigkeit von Klarlacken, natürlich unter Beibehaltung des hohen Qualitätsniveaus in allen anderen Bereichen - stand daher in den letzten Jahren an oberster Stelle in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Lackhersteller. Einen viel versprechenden Ansatz, der auch bereits zu konkreten Ergebnissen geführt hat, lieferte wiederum die Nanotechnologie. Im Nano-Klarlack sind nanoskalige Keramikpartikel integriert, die weniger als ein Tausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares messen. Und: Die unter 20 Nanometer großen Partikel sind transparent. Während des elektrostatischen Lackauftrags in der Autofabrik befinden sich die Bindemittelteilchen und die Keramikteilchen zunächst ungeordnet im flüssigen Lack. Erst in den Trocknern der Lackiererei, bei Temperaturen von etwa 140 Grad Celsius, vernetzen die Bindemittelteilchen und binden die Keramikteilchen in ein engmaschiges, gegen mechanische Einflüsse resistentes Netzwerk ein. Tests belegen, dass die Keramikpartikel die Kratzfestigkeit des Lackes gegenüber konventionellen Beschichtungen um ein Mehrfaches steigern. Solche „Nano-Klarlacke“ sind bei einigen Auto-Herstellern bereits seit rund zehn Jahren im Einsatz.

    Weich statt hart – selbstheilende Lacke

    Ein anderer Weg, um Kratzer zu vermeiden, wird mit dem so genannten Reflow-Effekt beschritten. Eine relativ weiche Oberfläche, so der Grundgedanke, lässt Kratzer im Klarlack zunächst zu. Unter genau definierten Voraussetzungen wird die Beschichtung weich und flexibel. Dann fließen die Kratzer, idealerweise von der Wärme des Sonnenlichts unterstützt, wieder zu. Durch die Entwicklung einer widerstandsfähigen und zugleich fließfähigen Polyurethanmischung sind Forscher dem "selbstheilenden" Lack ein großes Stück näher gekommen. Konventionelle Lacke werden durch Steinschlag schwer beschädigt; weiche Lacke mit Reflow-Effekt absorbieren die Aufprallenergie und "fließen" in ihre alte Form zurück. Entscheidend für die Selbstheilungsfähigkeit des Lackes sind vor allem zwei Faktoren: zum einen die Dichte des Molekülnetzes, zum anderen die so genannte Glastemperatur, also jene Temperatur, bei deren Unterschreitung das Netzwerk der Polymerketten erstarrt. Auch im Alltag lässt sich dieser Effekt beobachten: Kunststoffe sind unterhalb einer gewissen Temperatur spröde und brüchig, darüber jedoch weich und elastisch. Im Falle eines Lackes führt eine zu niedrige Glastemperatur dazu, dass er zu weich ist und erwünschte Eigenschaften wie die chemische Beständigkeit und die Polierbarkeit des Lackes leiden. Liegt die Glastemperatur, also die Temperatur, ab der die Elastizität eintritt, dagegen zu hoch, dann reicht die Strahlung des Sonnenlichts nicht aus, um den Fließprozess in Gang zu bringen, der den Kratzer „heilt“.

    Licht und Schatten

    Strahlung spielt auch bei einem dritten Weg zum kratzfesten Klarlack eine entscheidende Rolle. Beim UV-härtenden Klarlack sorgt energiereiche Strahlung dafür, dass der flüssige Lack schnell aushärtet. Initiiert durch die UV-Strahlung vernetzen die reaktiven Gruppen des Bindemittels in einer chemischen Kettenreaktion innerhalb kürzester Zeit zu einem sehr engmaschigen Netzwerk. Dies wiederum bewirkt hohe Kratzfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit. Dazu kommt, dass UV-härtende Lacke quasi lösemittelfrei und damit umweltschonend sind. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten - und dies im wahrsten Sinn des Wortes. Denn nur dort, wo das UV-Licht auf den flüssigen Lack trifft, härtet dieser aus. Bei der komplexen dreidimensionalen Geometrie von Autokarosserien sind also Anlagen gefragt, die auch die Schattenpartien erreichen, zum Beispiel Kotflügelinnenseiten. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, stellen so genannte Dual-Cure- Technologien dar, die UV-Strahlung mit klassischer thermischer Aushärtung kombinieren.

    Unabdingbar: Reproduzierbarkeit

    Ob der "kratzfeste Klarlack" auf Nano-Technologie, auf Selbstreparatur oder auf UV-Härtung basiert - grundsätzlich gilt: Es reicht keineswegs aus, wenn der Klarlack ausschließlich in den Lackierstraßen der Serienhersteller zuverlässig appliziert werden kann. Alles, was am Band aufgetragen wird, muss später auch problemlos repariert werden können. Reparaturwerkstätten sind darauf angewiesen, dass Lackierungen einfach instandgesetzt werden können. Um einen optimalen Untergrund für eine Neulackierung zu erhalten, ist es zwingend notwendig, die Altlackierung auf einer begrenzten Fläche abzuschleifen. Dass Lacke aber absolut kratzfest und zugleich schleifbar sind, widerspricht sich. Gleiches gilt, wenn kleine Unregelmäßigkeiten aus Lackflächen auspoliert werden müssen - was nichts anderes als ein sehr feines Schleifen darstellt. Ein völlig kratzfester Klarlack ließe sich auf diese Art nur schwer oder nur mit hohem Aufwand behandeln. So ist auch der "kratzfeste" Klarlack letztlich ein Kompromiss.

    Wunschtraum: Selbstreinigende Autos

    Auch bei einem anderen Traum aller Autofahrer - dem selbstreinigenden Autolack - liegt die Tücke im Detail. Selbstreinigende Oberflächen, deren Wirkungsweise auf Mikrostrukturen beruht, werden beispielsweise bei Fassadenfarben mit Erfolg genutzt. Auf Fahrzeuglackierungen lässt sich dieses Wirkungsprinzip allerdings schlecht übertragen, da sich hochglänzende und mikrostrukturierte Oberflächen gegenseitig ausschließen.

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